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28.11.2019
Größte Bauerndemo seit Jahren
Nichts ging mehr am Dienstag auf den Haupteinfahrtsstraßen in das Zentrum von Berlin. Nach offiziellen Angaben hatten sich 8.600 Traktoren auf den Weg nach Berlin gemacht, aber nicht alle kamen bis ans Brandenburger Tor. Die Polizei verwehrte einigen Landwirten die Weiterfahrt in Richtung Großer Stern. Trotzdem waren innerhalb kürzester Zeit alle Straßen rund um die Siegessäule und die Straße des 17. Juni bis zum Brandenburger Tor mit parkenden Traktoren zugestellt. Die Stadt befand sich im Ausnahmezustand. Um pünktlich in Berlin zu sein, waren Landwirte aus der ganzen Republik teilweise bereits seit Sonntag unterwegs und in langen Kolonnen über die Autobahnen gefahren. Auch mit dem Auto, der Bahn oder mit Bussen waren zehntausende Landwirte zur Demo nach Berlin gekommen. Die Veranstalter sprachen von 40.000 Teilnehmern.
In den vergangenen Monaten hatte sich bei uns Landwirten ein enormer Frust aufgestaut. Ständig steigende Auflagen und Forderungen, ohne jeglichen finanziellen Ausgleich durch höhere Preise für landwirtschaftliche Produkte, gefährden immer mehr Landwirte in ihrer Existenz. Gleichzeitig verstärkt die Politik mit dem geplanten Mercosur-Handelsabkommen den Druck auf die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise. Importe zu Billigpreisen und niedrigsten Sozial- und Umweltstandards gefährden unsere Betriebe und damit auch die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen und kontrollierten Lebensmitteln aus der Region.
In teilweise sehr emotionalen Redebeiträgen berichteten mehrere Landwirte von ihren Sorgen und Nöten bei ihrer täglichen Arbeit. Stetig steigende Auflagen und Verbraucheranforderungen, überbordende Bürokratie, Verunglimpfung als Umweltverschmutzer oder Tierquäler und Probleme der Weidetierhalter mit dem Wolf waren dabei die am häufigsten angesprochenen Probleme.
Als erste Politikerin stellte sich Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) den Demonstranten. Sie warb für klare Regeln zum Schutz von Grundwasser und Insekten und wollte, dass die Landwirte Teil der Lösung sind. Wie vorher abgesprochen, quittierten die Landwirte die Rede der Umweltministerin mit absoluter Stille. Keine Zwischenrufe und schon gar nicht Applaus waren zu hören. Gegen Ende der Rede konnten die Bauern aber ihren Zorn dann doch nicht mehr zurückhalten und die Ministerin war nach 5 Minuten wieder von der Bühne verschwunden. Damit kam sie zumindest teilweise der Forderung einiger Demonstranten nach. Diese hatten allerdings nicht den Abgang von der Demo-Bühne, sondern den vollständigen politischen Abgang gefordert.
Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) stellt sich den wütenden Landwirten und bekam deren geballten Zorn zu spüren. Sie versprach zukünftig die Landwirte mehr zu beteiligen. Beim Insektenschutz solle jede Maßnahme mit den Bauern besprochen und auf ihre Wirkung hin untersucht werden. Strengere Düngeregeln müssten aber dennoch umgesetzt werden, um EU-Strafzahlungen zu verhindern. Sie kündigte für den kommenden Montag ein Treffen bei Kanzlerin Angela Merkel an, zu dem rund 40 landwirtschaftliche Organisationen eingeladen seien. Im Gegensatz zur Bundesumweltministerin, die schnell wieder von der Bühne verschwunden war, nahm sich die Bundeslandwirtschaftsministerin mehr als eine Stunde Zeit, um sich den kritischen Fragen der Landwirte zu stellen.
Wir Landwirte sind bereit, aktuelle und zukünftige Herausforderungen anzugehen und zum Wohle unserer Betriebe aktiv mitzugestalten. Wir wollen aber, dass wir einbezogen werden und nicht über unsere Köpfe hinweg entschieden wird! Wie jeder andere Wirtschaftszweig, müssen auch wir Gewinne erwirtschaften, damit wir investieren und unsere Betriebe zukunftssicher aufstellen können. Nur wirtschaftlich erfolgreiche Betriebe sind in der Lage, stetig steigende Anforderungen an Tier- und Umweltschutz zu schultern. Wir sind gern bereit, höhere Anforderungen zu erfüllen, aber dafür brauchen wir die entsprechende finanzielle Honorierung und das nicht über mehr Subventionen, sondern über angemessene Erzeugerpreise!
Zu der Kundgebung aufgerufen hat die Initiative "Land schafft Verbindung", in der sich zehntausende Bauern zusammengefunden haben. Die ehrenamtlichen Organisatoren der Veranstaltung hatten enorme logistische Herausforderungen zu bewältigen. Der Lohn für nervenaufreibende Wochen der Vorbereitung und sicher auch zahlreiche schlaflose Nächte war der reibungslose Ablauf der wahrscheinlich größten Bauerndemonstration in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dafür gebührt allen Beteiligten aller höchster Respekt und Anerkennung!