Regionalbauernverband Mittweida e.V.
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01.04.2019

Bundesregierung beschließt Nahrungsenergiebilanzierungsgesetz

Übergewicht stellt eine bislang unterschätzte gesundheitspolitische Herausforderung mit erheblichen ökonomischen Folgen für unsere Volkswirtschaft dar. Nach neusten Untersuchungen sind 22% der Männer und 23% der Frauen stark übergewichtig. Übergewicht und die damit verbundenen vielfältigen Folgeerkrankungen führen zu erheblichen Einbußen an Lebensqualität für die Betroffenen und deren Angehörigen. Darüber hinaus stellen ständig steigende Kosten für die Behandlungen und steigende Arbeitsausfallstunden eine enorme Belastung für unsere Gesamtwirtschaft dar. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass die übergewichtsbedingten direkten und indirekten Kosten etwa 0,5 % des Bruttoinlandproduktes (BIP) ausmachen. Damit können diese Kosten auf etwa 17 Mrd. Euro jährlich beziffert werden.

Vor diesem Hintergrund sah die Bundesregierung deshalb dringenden Handlungsbedarf. Zügig wurde das Gesetzgebungsverfahren auf den Weg gebracht und das Nahrungsenergiebilanzierungsgesetz (NaEnBilG) vergangenen Freitag im Bundestag mit den Stimmen der Koalition beschlossen. Mit dem Gesetz ist es endlich möglich, das Problem des Übergewichts eines wachsenden Teils der Bevölkerung entschlossen anzugehen, so der Regierungssprecher. Kritik kam von der Opposition, der das Gesetz nicht weit genug geht.

Das Gesetz enthält zahlreiche Regelungen zur Ermittlung, Bilanzierung und Dokumentation der Nahrungsenergiezufuhr. So ist täglich vor der ersten Nahrungsaufnahme eine Nahrungsenergiebedarfsanalyse (NEBA) durchzuführen. Dabei ist der voraussichtliche Energiebedarf für den Tag zu planen. Eine Expertenkommission hat dazu einen mehr als 200 Seiten starken Katalog erarbeitet, in dem für alle Berufsgruppen, Tätigkeitsgruppen und Belastungsgrade normative Energiebedarfe (normEB) ermittelt und festgeschrieben wurden (Anlage 1 NaEnBilG). Zuschläge zum normEB sind zulässig, wenn nachgewiesen werden kann, dass die tatsächliche Arbeitsbelastung höher ist bzw. mehr sportliche Aktivitäten durchgeführt wurden, als bereits im normEB berücksichtigt wurden. Dafür sind gesonderte Aufzeichnungen zu führen, mindestens 3 Jahre aufzubewahren und auf Verlangen der kontrollierenden Behörde vorzulegen.

Bei der Ermittlung der zulässigen täglichen Nahrungsenergiemenge (dNEM), sind eventuell nicht verbrauchte Nahrungsenergiemengen vom Vortag anzurechnen. Dazu sind die für den Vortag geplante Nahrungsenergieaufnahme der tatsächlichen Energieaufnahme und die für den Vortag geplanten Bewegungsaktivitäten den tatsächlichen Bewegungsaktivitäten gegenüberzustellen. Der so ermittelte Saldo, ist bei der NEBA für den aktuellen Tag zu berücksichtigen und verringert bzw. erhöht die zulässige Nahrungsenergieaufnahme des aktuellen Tages. Die Ergebnisse der täglichen NEBA, sind mit vorgeschriebenem Formblatt (Anlage 2 NaEnBilG) zu dokumentieren, mindestens 3 Jahre aufzubewahren und auf Verlangen der kontrollierenden Behörde vorzulegen.

Personen aus Familien (zu berücksichtigen sind alle Verwanden 1. und 2. Grades), in denen deutliches Übergewicht (Body-Mass-Index >35) gehäuft (mehr als 50%) auftritt, haben gesonderte Auflagen zu beachten. In diesen Fällen ist täglich vor der ersten Nahrungsaufnahme, eine Blutprobe zu nehmen und zu analysieren. Eine Liste der zugelassenen Untersuchungslabore kann auf der Internetseite des Bundesgesundheitsministeriums eingesehen werden. Die Probenahme darf nur durch einen sachkundigen Dritten erfolgen. Die Hinweise des Bundesgesundheitsministeriums zur Entnahme von Proben zur Bestimmung des Blutfett- und Blutzuckergehaltes, sind zu beachten. Die Ergebnisse der Blutprobe, sind bei der NEBA zu berücksichtigen. Darüber hinaus, sind alle zum Verzehr vorgesehenen Nahrungsmittel auf ihren Energiegehalt zu analysieren. Die Angaben zum Energiegehalt der Nahrungsmittel, sind zu dokumentieren, mindestens 3 Jahre aufzubewahren und auf Verlangen der kontrollierenden Behörde vorzulegen. Von der bei der NEBA ermittelten zulässigen dNEM, ist für vorgenannte Personen ein Sicherheitsabschlag von 20% der dNEM vorzunehmen. Sollten die angeführten Maßnahmen innerhalb eines Jahres zu keiner Gewichtsreduzierung führen, ist eine Ernährungsberatung verpflichtend. Die zusätzlichen Auflagen finden keine Anwendung, wenn die Person nachweist, dass sie in den letzten 3 Jahren einen Body-Mass-Index <25 eingehalten hat.

Neben der täglichen Bilanzierung ist einmal jährlich bis zum 31.03. des Folgejahres eine Jahresbilanz zu erstellen. Darin ist die im Laufe des vergangenen Jahres aufgenommene Nahrungsenergiemenge der tatsächlich verbrauchten Nahrungsenergiemenge gegenüberzustellen. Die zugeführte Menge darf die verbrauchte Menge im Durchschnitt von 3 Jahren maximal um 10% überschreiten. Die Jahresbilanzen sind mit einem vom Bundesgesundheitsministerium zugelassenen Programm zu ermitteln, für mindestens 6 Jahre aufzubewahren und auf Verlangen der kontrollierenden Behörde vorzulegen.

Das Gesetz tritt am 01.04.2019 in Kraft. Mit ersten Kontrollen ist nach Auskunft des Bundesgesundheitsministeriums ab Juli zu rechnen. Kontrollen erfolgen unangekündigt. Leichte Verstöße werden mit einer 10%igen Kürzung und mittlere Verstöße mit einer 30%igen Kürzung aller staatlichen Transferleistungen (Kindergeld, Hartz IV, Rente etc.) geahndet. Bei schweren Verstößen, wiederholten Verstößen und bei Vorsatz können alle staatlichen Transferleistungen bis zu 100% gekürzt werden. Die Einschätzung ob ein leichter, mittlerer oder schwerer Verstoß bzw. Vorsatz vorliegen, obliegt der prüfenden Behörde. Wird eine Kontrolle nicht zugelassen, werden nur unvollständige Unterlagen vorgelegt oder ist keine Person bei der Kontrolle anwesend, die hinreichend Auskunft erteilen kann, wird dies als Vorsatz gewertet und es erfolgt eine 100%ige Kürzung aller staatlichen Transferleistungen.

Plötzlich klingelt mein Wecker. Mist, schon so spät. Jetzt muss ich mich aber beeilen, wenn ich nicht zu spät auf Arbeit kommen will. Schnell ins Bad und dann im Gehen noch ein Marmeladenbrötchen geschmiert. Doch halt! Seit das neue Nahrungsenergiebilanzierungsgesetz in Kraft getreten ist, geht das ja nicht mehr so einfach! Also erst mal schnell noch eine Nahrungsenergiebedarfsanalyse durchführen, obwohl ich dafür eigentlich gar keine Zeit habe. Wo war nochmal dieses blöde Formular für die Berechnung? Wie finde ich in dem 200seitigen Katalog genau die Werte, die für mich zutreffen? Welche Zu- und Abschläge sind zulässig? Ist mehr als die Hälfte meiner Verwanden stark übergewichtig oder nicht? Woher soll ich denn jetzt schon wissen, ob ich heute Abend noch Lust zum Joggen habe, oder ob ich von der Arbeit so kaputt bin, dass ich nur noch die Füße hochlegen möchte? Fragen über Fragen? Wer sich sowas nur ausdenkt?

Plötzlich klingt mein Wecker. Schon wieder denke ich und wache schweißgebadet auf. Zum Glück war alles nur ein böser Traum! Das wäre ja noch schöner, wenn die die Bundesregierung einem unbescholtenen Bürger vorschreiben wollte, wie viel er essen darf!

Landwirten wird das allerdings sicher alles bekannt vorkommen, denn sie müssen solche und ähnliche Vorschriften schon seit Jahren beachten, wenn es um die Ernährung ihrer Pflanzen geht!

Wer sich jetzt fragt „Spinnen die denn beim Bauernverband?“ sollte bitte das Einstelldatum beachten!



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