Regionalbauernverband Mittweida e.V.
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14.01.2014

Schreckgespenst ”Agrarindustrie“

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Unter dem Motto ”Wir haben Agrarindustrie satt!“ findet am 18.01.2014 eine Demonstration in Berlin statt, zu der zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aufgerufen haben.

Im Aufruf zur Demonstration heißt es unter anderem:
”Weltweit sind die Folgen der agrarindustriellen Massenproduktion für Bäuerinnen und Bauern, Verbraucherinnen und Verbraucher, Tiere und Umwelt dramatisch“

Weiterhin ist zu lesen:
”+++ Mehr als 840 Millionen Menschen hungern weltweit +++ Höfesterben in Deutschland: jedes Jahr schließen 10.000 Betriebe +++ Deutschland importiert Ernährungsgüter im Umfang von über 18 Millionen Hektar +++ 40 Millionen neue Mastplätze für Hühner und 2,5 Millionen Mastplätze für Schweine in Deutschland geplant +++ Antibiotika-Resistenzen aus der Tiermast bedrohen die Gesundheit +++ Freihandelsabkommen zwischen EU und USA könnte Gentechnik die Tür öffnen +++ Drei multinationale Unternehmen kontrollieren weltweit über 50 % des Saatguthandels +++ Jedes Jahr stirbt ein Drittel der Bienenvölker in Europa und in den USA +++“

Mit diesen Thesen wird suggeriert, dass an all diese ”Fehlentwicklungen“, soweit es solche überhaupt sind, die ”Agrarindustrie“ schuld sei.

Ein Widerlegen jeder einzelnen dieser Thesen würde hier an dieser Stelle zu weit führen. Es gibt bereits ausreichend Veröffentlichungen von Fachleuten auf dem Gebiet der Landwirtschaft, die die von den NGOs immer wieder vorgetragenen falschen Behauptungen, widerlegen.

Werden vermeintliche oder tatsächliche Missstände in Landwirtschaft aufgedeckt, kommen in den Medien leider meist nur die selbsternannten Fachleute der NGOs zu Wort. Diese haben dann zahlreiche Vorschläge, was Landwirte besser machen müssen. Die tatsächlichen Fachleute werden in der Regel nicht gehört. Kein Landwirt würde sich übrigens anmaßen, in einer Talkshow einem Arzt erklären zu wollen, wie die Krankheiten seiner Patienten behandelt werden müssen.

Das Thema Lebensmittel betrifft uns alle, denn jeder Mensch muss essen. Deshalb haben Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung ein hohes Skandalpotenzial und vermeintliche Missstände eigenen sich bestens, Protest gegen die ”Agrarindustrie“ zu schüren und bei den NGOs Spendengelder einzuwerben.

Tier- und Umweltschutzverbände arbeiten bei ihren Kampagnen gegen die moderne Landwirtschaft sehr stark mit Emotionen. Uns Landwirten fällt es schwer, mit nackten Zahlen, Daten und Fakten gegen die Emotionen anzuargumentieren.

Tausende Verbraucher fühlen sich mittlerweile von den emotional geführten ”Hetz-Kampagnen“ gegen die ”Massentierhaltung“ aufgrund der zunehmend breiteren Berichterstattung in den Medien angesprochen und halten die darin verbreiteten Unwahrheiten für zutreffend.

Einfache Botschaften wie ”Groß ist böse und klein ist gut“ bleiben in den Köpfen der Menschen hängen, obwohl die Stallgröße keine Auswirkungen auf Tierschutz und Umwelt hat.

Ausschlaggebend für Tierwohl und Tiergesundheit sind nicht die Bestandsgrößen, sondern die Haltungsbedingungen wie Stallklima und Hygiene sowie die Intensität und Qualität der Betreuung der Tiere.

Heute werden Kühe in hellen und luftigen Laufställen gehalten. Kein Vergleich mehr mit der Anbindehaltung in den dunklen, schlecht belüfteten "Tropfsteinhöhlen" früherer Jahre. Sauen werden nicht mehr angebunden und Mastschweine in klimatisierten Ställen gehalten. Die Kosten dafür trägt allein der Landwirt.

Investitionen, die Tiergesundheit und Tierwohl verbessern, Erkrankungen vorbeugen und damit auch Medikamentengaben verringern, lassen sich aber nur für größere Wirtschaftseinheiten finanzieren.

Proteste von Bürgerinitiativen gegen Stallneubauten sind schon deshalb kein Beitrag zur Verbesserung des Tierschutzes. Jeder verhinderte Stallneubau bedeutet eine Verhinderung von noch besserem Tierschutz.

Es soll aber hier keinesfalls der Eindruck erweckt werden, dass bezüglich der Haltungsbedingungen für unsere landwirtschaftlichen Nutztiere schon alles in bester Ordnung wäre. Sicher sind weitere Verbesserungen möglich und auch notwendig. Wir Landwirte können aber nur so viel Tierschutz leisten, wie der Verbraucher auch bereit ist, über die Preise für Lebensmittel zu honorieren. Überzogene und unrealistische Forderungen führen zur Zerstörung der einheimischen Produktion und zur Verlagerung der Produktion in andere Länder, mit geringeren Tierschutzanforderungen. Dadurch wird unsere Ernährungssicherheit gefährdet und dem Tierwohl ist damit auch nicht gedient.

Landwirtschaft ist, wie der Name bereits sagt, ein Zweig der Wirtschaft. Wie jedem anderen Unternehmer, aber auch Arbeitnehmer, sollte es einem Landwirt grundsätzlich gestattet sein, vom Einkommen aus seiner täglichen Arbeit seine Familie angemessen ernähren zu können.

Den profitgierigen Landwirt, der zur Gewinnmaximierung rücksichtslos Tiere und Natur ausbeutet, wie es häufig in den Medien dargestellt wird, gibt es nicht. Landwirte wirtschaften seit Jahrhunderten nachhaltig. Sie haben ein ureigenstes Interesse an der Erhaltung ihrer wichtigsten Produktionsgrundlage, dem Boden. Auch haben sie ein ureigenstes Interesse an guten Haltungsbedingungen für ihre Tiere. Nur Tiere die sich wohlfühlen und die gesund sind, erbringen die erforderliche Leistung.

Aufgrund des globalen Wettbewerbs, der hohen europäischen und nationalen Standards, aber auch des Preiskampfes im deutschen Lebensmitteleinzelhandel, stehen Landwirte unter enormen wirtschaftlichen Druck. Geringe Margen, insbesondere bei tierischen Erzeugnissen, führen dazu, dass ein Landwirt immer mehr Flächen bewirtschaften und immer mehr Tiere halten muss.

Gleichzeitig mit dem Druck auf die Erzeugerpreise steigen aber auch die Anforderungen der Gesellschaft bezüglich Umwelt- und Tierschutz. In diesem Spannungsfeld müssen sich die Landwirte auf die Herausforderungen der Zukunft einstellen. Dabei gelten für Landwirte bezüglich der Betriebswirtschaft dieselben Anforderungen wie bei jedem anderen Unternehmen. Nur wer mit seiner wirtschaftlichen Tätigkeit nachhaltig Gewinn erwirtschaften kann, wird mittelfristig am Markt bestehen können.

Die Landwirte haben in den letzten Jahren schon zahlreiche Verbesserungen beim Umwelt- und Tierschutz umgesetzt. Dies hat sie viel Geld gekostet, was in den wenigsten Fällen über höhere Erzeugerpreise honoriert wurde.

Nachhaltiger Umwelt- und Tierschutz ist aber nur dann möglich, wenn auch Verbraucher und Handel die Maßnahmen der deutschen Landwirte honorieren und die Wertschätzung von Lebensmitteln in Deutschland verbessert wird.

Nur in einem sachlichen Dialog mit Verbrauchern und Verbänden, der auch die wirtschaftlichen Realitäten im landwirtschaftlichen Umfeld angemessen berücksichtigt, können wir gemeinsam die Herausforderungen der Zukunft meistern.

Pauschale Verunglimpfung der modernen Landwirtschaft und romantische, realitätsferne Vorstellungen sind dabei nicht zielführend.

Vermutlich haben die meisten Verbraucher ihr Wissen über die moderne Landwirtschaft ausschließlich aus den Medien bzw. von Verbänden wie Greenpeace, BUND und Peta. Wahrscheinlich haben auch die Wenigsten schon einmal einen modernen Landwirtschaftsbetrieb persönlich besucht.

Wir alle wurden zu selbständigem Denken und Handeln erzogen. Wir sollten deshalb vorgegebene Meinungen keinesfalls ungeprüft übernehmen und Medienberichte stets kritisch hinterfragen.

Wir möchten alle Verbraucher ermuntern, moderne Landwirtschaftsbetriebe persönlich in Augenschein zu nehmen und sich ein eigenes Bild zu machen. Suchen Sie den Kontakt zu Landwirten vor Ort. Zahlreiche Betriebe, öffnen in den nächsten Monaten wieder ihre Ställe für interessierte Besucher.

Auf der Homepage www.offener-hof-sachsen.de werden in den nächsten Tagen die teilnehmenden Betriebe veröffentlicht.

Sicherlich ist es besser miteinander zu reden, als übereinander.



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